Hochwasserschutz an March und Thaya

Weiden-an-der-MarchNach der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2006 bei der die Hochwasserschutz-Dämme im Bereich Dürnkrut und Jedenspeigen den Belastungen nicht mehr Stand gehalten haben, wurde eine umfassende Instandsetzung des Hochwasserschutzes in Angriff genommen. Gemäß Plänen des Landes Niederösterreich, des bmvit und der via-donau sollen insgesamt mehr als 70 km Dammlänge saniert werden. Die Kosten dafür: 100 Mio. €.
Angesichts der Tatsache, dass der Hochwasserschutz an der March teilweise auf Konzepten aus dem Jahr 1887 basiert, besteht jetzt die Chance endlich Verbesserungen im Hinblick auf einen ökologischen - nachhaltigen Hochwasserschutz zu realisieren. Die Weichen dafür wurden bis jetzt noch kaum gestellt.

Nach der Hochwasserkatastrophe 2006 prüfte der Rechnungshof die verantwortlichen Stellen von Bund und Land und stellte dabei erhebliche Mängel in der bisherigen Hochwasserschutz-Praxis fest. Auch die Pläne für die vollständige Sanierung wurden im Zuge der Prüfung begutachtet und erhebliche Defizite festgehalten.
Kritisiert wurde dabei die unklaren Zuständigkeiten, die mangelhafte Finanzverwaltung und Kontrolle der durchführenden Stellen, aber auch die Tatsache, dass Retentionsraumerweiterungen gemäß dem Stand der Technik bisher nicht umgesetzt wurden, obgleich die Richtlinien der Bundeswasserbauverwaltung passive Hochwasserschutzmaßnahmen klar priorisieren. Link zum Rechnungshofbericht

Potentiale für ökologischen Hochwasserschutz
In mehreren Untersuchungen wurden seit dem Jahr 1995 Potentialflächen für Dammverschwenkungen und damit eine Verbesserung des Hochwasserschutzes identifiziert (Tbw 1997, Nemetz 2007). Entlang von March und Thaya besteht einerseits die Möglichkeit für kleine Adaptierungen des Dammverlaufes, die oft eine Verbesserung der Abflussverhältnisse und Einsparungen von aufwändigen Damm-Durchlässen erbringen, andererseits große Flächenpotentiale beiderseits der Grenze, wo die Hochwasserwelle nicht nur dramatisch gesenkt, sondern auch maßgeblich verlangsamt werden könnte. Insgesamt existieren Potentialflächen für ökologischen Hochwasserschutz im Umfang von ca. 1.500 ha (Schwarz 2003).
Derzeit steht im Bereich des Naturschutzgebiets Untere Marchauen eine erste konkrete Retentionsraumerweiterung zur Diskussion. 1.1 Mio. m3 Wasser könnten auf fast 70ha zusätzlich schadlos gespeichert werden und dabei vor allem einen positiven Effekt auf das Naturschutzgebiet haben. Stellungnahme-Dammverschwenkung (pdf, 2,178 KB)
Doch je mehr die Schreckensbilder der Hochwasserkatastrophe in den Köpfen der Verantwortlichen verblassen, desto mehr sinkt die Bereitschaft vorausschauend und gemeinsam aktiv zu werden.

Ausnahmeparagraf für den March-Hochwasserschutz ist EU-rechtswidrig
Die Sanierungsarbeiten an den Hochwasserschutzanlagen entlang von fast 70 km Dammlänge stellen derzeit aber auch einen gravierenden Eingriff in das Natura 2000 Gebiet dar.
In einer Gesetzesnovelle des Landes Niederösterreich wurden 2007 Sanierungen der Dämme von einer Prüfung auf Naturverträglichkeit ausgenommen. Das heißt, dass die Arbeiten am Hochwasserschutzdamm - die auch Damm-Erhöhungen, Damm-Versetzungen und Rodungen mit einschließen können - derzeit von der Naturschutzbehörde weder begutachtet, noch durch Ausgleichsmaßnahmen naturverträglich gestaltet werden können. Das Argument, dass dadurch die Hochwasserschutzmaßnahmen beschleunigt werden können, trifft nicht zu. Denn trotz des Ausnahmeparagrafen sind bisher erhebliche Verzögerungen von mehr als einem Jahr eingetreten.
Die derzeitige Rechtslage widerspricht damit den Bestimmungen der EU Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie). Dabei bietet diese ohnehin die Möglichkeit für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot, wenn das öffentliche Interesse - wie in diesem Fall - überwiegt. Das entbindet die Mitgliedsstaaten jedoch nicht von einer fundierten Naturverträglichkeitsprüfung.
Eine Einschätzung der bisherigen Praxis hat ergeben, dass es bei den laufenden Sanierungsmaßnahmen zu einer Verschlechterung des Zustandes von FFH-Schutzgütern gekommen ist. Die Naturschutzbehörde wurde davon nicht einmal in Kenntnis gesetzt.
Das MARTHA-Forum hat deshalb die NÖ Landesregierung im November 2008 aufgefordert eine Novellierung des Naturschutzgesetzes vorzunehmen.
Hintergrundinformation-NOENSchG (pdf, 48 KB)

Drainagemaßnahmen erfordern eine Umweltverträglichkeitsprüfung
Die reine Sanierung von Hochwasserschutzanlagen ist laut UVP Gesetz von einer Prüfungspflicht auf Umweltverträglichkeit ausgenommen.
Werden jedoch wie im Bereich Markthof im Projekt „Marchfeldschutzdamm Russbachmündung-Schlosshof“ im Zuge der Sanierungen auch weiterführende Drainagemaßnahmen mit projektiert und umgesetzt (siehe NÖN Woche 16/2008) ändert das die Rechtslage.
Im Bereich Markthof liegen naturschutzfachlich wertvolle Sutten, die einen wichtigen Lebensraum für Zugvögel darstellen, auch landseitig des Hochwasserschutzdammes. Die geplante Drainage dieser Flächen hat mit dem Hochwasserschutz nichts zu tun und hätte für das Natura 2000 Gebiet gravierende negative Folgen. Zudem sind die Dammsanierungsarbeiten damit nicht mehr von der UVP Pflicht befreit, denn für Drainagemaßnahmen muss jedenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung (gemäß Ziffer 35 des Anhang 1 UVP-G) erfolgen.
Die Verbindung einer Sanierung der Hochwasserschutzbauten mit einem Drainage-Projekt ist damit nicht nur rechtlich bedenklich, es könnten damit auch Mehrkosten entstehen, bzw. der eigentliche Zweck der Maßnahmen untergraben werden. Hintergrundinformation-UVP-Pflicht (pdf, 37 KB)

Fazit
Die Priorität von Schutzbauten für die Sicherheit der Bevölkerung soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden. Die derzeitige Umsetzungspraxis läuft jedoch Gefahr aufgrund der rechtlichen Ausnahmen und der fehlenden Kontrolle die Ziele eines nachhaltigen ökologischen Hochwasserschutzes zu verfehlen.
Die Sanierungsarbeiten an den Hochwasserschutzanlagen sind derzeit der schwerwiegendste Eingriff in das Natura 2000 Gebiet, das RAMSAR Gebiet und in die Naturschutzgebiete in den March-Thaya Auen. Die freiwilligen Vorsorge- und Ausgleichsmaßnahmen der viadonau sind positiv zu bewerten - Land und Bund dürfen sich jedoch nicht ihrer Verantwortung entziehen.

Wenn selbst bei einem Mitteleinsatz von 100 Mio. € kein ökologischer Hochwasserschutz - der dem Stand der Technik entspricht - umgesetzt werden kann, müssen die Ankündigungen von Seiten der Politik wie zum Beispiel im Rahmen der NÖ Wassercharta (Absatz 5: „Wasser braucht Platz“) leere Worte bleiben.

Informationsportal zum March Hochwasserschutz der via-donau

Ein Beitrag von Gerhard Egger

The Morava-Dyje Platform

Das March-Thaya (MARTHA) Forum

ist eine Kooperationsplattform von WissenschafterInnen, Natur- und Umweltschutzorganisationen, die an March und Thaya aktiv sind. Unser Ziel ist es, eine nachhaltige Entwicklung in der Region voranzutreiben und aktuelle Bedrohungen von der einzigartigen Flusslandschaft im Herzen Europas abzuwenden.

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